Mutterland, Kiew (2023)
Mutterland, Kiew (2023)
Gemälde von Nazanin Pouyandeh
Gemälde von Nazanin Pouyandeh

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Weihnachtsdauerbrenner in HH

 

 

Dank der Grimms jenseits allen Grimms

 

 

Die Bremer Stadtmusikanten der Brüder Grimm schreiben sich fort in Endlosschleife. Nach mehr als zwei Jahrhunderten ein Dauerbrenner in immer neuen Bühnenfassungen, mit Akzentverschiebungen und Erweiterungen. Etwa mit neuer Rahmenhandlung  wie einer Love story und mit realen Tieren, zu Gehör gebracht von bekannten Stimmen aus Schauspiel und TV, so in der Inszenierung von 2009,  seit Tagen auf video/maerchen-in-der-ard. Oder eben  auch als Inspirationsquelle pur wie im Winterhuder Fährhaus unweit des Hamburger Ernst-Deutsch-Theaters.

 

Eben dort – wie auch zeitgleich in der Inszenierung im Volkstheater Rostock – zieht die Regie es vor, sich kunst- und kulturgeschichtlich bewährter Mischformen von Mensch und Tier behutsam zu bedienen, also nur wenige Accessoires zur Maskerade, Gestik und die Stimmen kaum mal klamaukig.

Was sich hier sogar noch reduzierter, minimalistischer vorstellen ließe ohne Einbußen an effektvoller Komik.

 

Effekte, Komik und auch Spektakel braucht es natürlich und nimmt nach ersten etwas verhaltenen Szenen volle Fahrt auf.

Dazu an dieser Stelle die sehr ansprechende, plastische "Audiodeskriptive Einführung"  zu Text, Bühnen- und Theaterraum-bildern sowie Kostümierung der vier Tierfiguren und der zwei Darsteller:innen für die anderen sechs Personen:

 

Audio-Einführung in Die Bremer Stadtmusikanten am EDT 2024
Audioeinfuehrung_Die_Bremer_Stadtmusikan
MP3 Audio Datei 12.6 MB

 

Das Grimm’sche Märchen schließt, wie bekannt, mit einer „Gemeinsam-sind-wir-stark“-Aktion der vier wandermüden Flüchtlingstiere, die voll Getöse die sich gruselnde Räuberbande aus ihrer Herberge vertreiben. Und schließlich das fast biedermeierlich anmutende Happy end: „Den vier Bremer Musikanten gefiels so wohl darin, daß sie nicht wieder heraus wollten. Und der das zuletzt erzählt hat, dem ist der Mund noch warm.“

 

So werden sie also niemals die Hansestadt erreichen, zu deren bronzenem Wahrzeichen von Gerhard Marcks sie weltweit aufsteigen.

 

 

 

Schon gut möglich, dass es den Grimms im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts hier eher um ein Zeichen der Selbstbescheidung und Demut geht wie in ihren KinderlegendenDurchaus und mehr als verständlich auch heute besonders in den reichen Gesellschaften angesichts wachsender Kinderarmut und -sterblichkeit sowie planetarer Klimakatastrophe.

 

Und dann ist da ja schon im Urtext noch dieser andere Aspekt eines widerständigen Lebens, der für ein Mehrgenerationen-Theaterstück  wie in Hamburg besondere Bedeutung annehmen kann: Jener Slogan der vier gegen den eigenen Untergang anmarschierenden Tiere „etwas Besseres als den Tod findest du überall!“

 

Die Bremer Stadtmusikanten
Text der Brüder Grimm
Die Bremer Stadtmusikanten.pdf
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Wie das hier auf der Bühne vorgetragen wird, ist  zugleich berührend und auch mitreißend. 

Die Hütte im nächtlichen Wald, auf die das Quartett bei seiner Wanderung stößt, ist Wohnung und Probenraum mit der nötigen Technik eines rappenden Geschwisterpaars, selber eher erfolglose Nachfahren einer traditionsreichen Räuberfamilie.

Die vier Tiergestalten folgen den Grimm’schen Vorgaben und verjagen erstmal die räuberischen Rapper unter freudigem Gesang und Musizieren. Schnell jedoch kommen ihnen Zweifel am eigenen Vorgehen und Mitgefühl mit den Jugendlichen nun ohne Dach überm Kopf. Könnte man da nicht...? Außerdem sind diese Zwei fast Profis und die Chancen einer Win-win-Situation für eine künftige Bremer Straßenband lägen da nicht allzu fern...

 

 

Und ab geht's mit einer Kaskade der Gemeinsamkeiten von Rappern und musizierenden Eindringlingen – Licht und Musik und Gesang mit Soli und Chören, mit Humor, Wortwitz und satirischen Einsprengseln. Das alles zu immer wieder aufbrausendem Applaus von Klein und Groß, Jung und Alt. Viele klatschen im Rhythmus mit. Strahlende Begeisterung erfüllt Parkett und Rang und die Bühne ebenso. Schließlich dann wie bei Konzerten üblich Rufe nach Zugabe, denen nur zu gern nachgegeben wird, auch wenn dabei die Lautsprecher mal streiken. Eineinhalb Stunden Volkstheater im besten Sinne. 

 

Vergnügen dann auch beim anschließenden Premierenfest mit Pommes, Pasta und Getränken. Und zusammen mit all denen auf und hinter der Bühne.

Und immer wieder Kinder mit Autogrammwünschen. Da lassen sich die Schauspieler:innen nicht lange bitten.

 

 

 

 

16.11.2024                                                                                                                   Paul Kroker

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