Zwei Dutzend Explosionen
Zur Eröffnung der ersten Einzelausstellung online von Naser Agha eine Stimme aus seiner Heimatstadt Aleppo, und zwar von Wahid Magharbeh, selbst Künstler und Freund Aghas:
„Nasers Kunst drückt ein inniges Verhältnis von Malerei und Poesie aus. Seine Kreativität und sein künstlerisches Können verhelfen uns zum Genuss leidenschaftlicher farbstarker Kompositionen, getragen vom Rhythmus architektonischer Elemente: Bögen und Gewölbe, Fenster und Türen aus einer Welt reich an Ornamentik.“
Hohe Wertschätzung also für den Malerkollegen, Jahrgang 1961. Studium in Damaskus und Aleppo. Auslandsaufenthalte in Griechenland und Italien. Ab 1992 Einzel- und Gruppenausstellungen in Syrien und im arabischen Raum, in Paris, Madrid, Stockholm. 2007 auf der Biennale in Venedig im syrischen Pavillon.
In Aleppo malte er dann auch noch während des Krieges und der Bombardements, bevor er und seine Familie sich in Richtung Istanbul aufmachten. Von dort ging es dann nach Bremen, so berichtet der Künstler. Und weiter: "Mitte 50 eine neue Heimat zu finden, dafür ist die Kunst die Lösung, die Erlösung. Denn sie ist die Botschaft der Zuneigung und der Liebe, welche die Tore der Welt öffnen."
Im Februar dann die erste Ausstellung in Deutschland, im geschichts-trächtigen Bremer Schnoor, auf Einladung des Künstlerhauses ART 15, das den Künstler auch anderweitig unterstützt.
Dieses Jahr bietet eine bemerkenswerte Präsenz bedeutender Künstler aus Syrien: Auf der Berlinale lief der Kurzfilm „La dolce Siria"von Ammar Al-Beik (*1972 Damaskus), der seit Februar in der Grafschaft Bentheim Fotografien ausstellt zusammen mit seinen Landsleuten Tammam Azzam (*1980 Damaskus), der mit seiner Fotoserie „Syrian Museum“international Aufsehen erregte. Der Dritte im Bunde ist einer der zehn weltbesten Kalligraphen, Khaled Al-Saai (*1970 Homs), der schon für Meissen Couture gearbeitet hat und in Bentheim ein riesiges Wandbild ausstellt "It is happening there"Bei ihrer Vernissage zugegen war auch der als „Pianist in den Trümmern“ bekannte Aeham Ahmad (*1988 Jarmuk), dem im Vorjahr der I. Internationale Beethoven-Preis zuerkannt wurde. Oder die Auszeichnung des syrisch-libanesischen Lyrikers Adonis mit dem diesjährigen Erich Maria Remarque-Friedenspreis.
Diese Online-Ausstellung reiht sich ein in die Aktionswoche (21.-29.5.) der bundesweiten Initiative „Kultur öffnet Welten“, die sichtbar machen will, wie Kulturschaffende und Institutionen sich für kulturelle Teilhabe engagieren. Im Fokus steht die Planung, Umsetzung und Vermittlung kultureller Angebote für Menschen aller Altersgruppen, unabhängig von ihrer sozialen Lage, einer Beeinträchtigung oder ihrer ethnischen Herkunft. „Kultur öffnet Welten“ ist eine gemeinsame Initiative von Bund, Ländern und Kommunen, künstlerischen Dachverbänden und Akteuren aus der Zivilgesellschaft und wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert.
Zur Kunst sei er, Naser Agha, gekommen "durch das Interesse meiner Familie an Kunst und natürlich dann auch durch mein Studium an der Hochschule für Künste. Darüber hinaus hatte ich das Gefühl, dass die Kunst die wichtigste Brücke ist, einen wirklichen Kontakt zum Alltagsleben und zur Gesellschaft herstellen zu können."
Online auf KUNOweb ist Naser nun mit fünf/sechsundzwanzig Gemälden aus den letzten sieben Jahren vertreten. Alle kleineren oder mittleren Formats in Öl, in Blau, Grau, Weiß, Ocker, Rot. Denn "Farben sind eine besonders starke Ausdrucksform menschlicher Gefühle", so der Maler, der faszinierende Farbszenarien zu entwerfen weiß.
Da schiebt das Weiß die anderen Farben aus dem Bildraum, schäumt ins Dunkel auf, bricht mit Macht in den Bildvordergrund. Und das Blau wölkt sich hinein in eine grauschwarze Streifenwand. Vielfarbige Feuer explodieren in orientalischer Ornamentik mit städtetypischen architektonischen Details aus alter wie neuer Heimat, Aleppo wie Bremen.
Gegenständliches blitzt da bruchstückhaft auf, bleibt ansonsten jedoch im Hintergrund. Den bildet mitunter wortwörtlich ein geometrisches Zeichensystem, vor dem sich das chromatische Drama abspielt. Vielleicht ein Halt, wenn auch nur ein unsicherer. Wie bei den Bildern mit den fiktiven Rahmen, die schließlich aber aufgesprengt werden. Aus dieser strukturellen wie farblichen Dialektik von Ruhe und Dynamik, Frieden und Zerstörung entsteht so etwas wie eine bewegte, auch bewegende Harmonie, gebrochen immer wieder durch Zeichen des Fragmentarischen.
Das Fragmentarische aber ist wohl eine bewusste ästhetische Wahl, wenn der Maler bekundet: "Als Künstler sucht man nach Schönheit, weswegen es schwierig ist, in der Realität des Krieges und des Terrorismus zu leben. Zuflucht findet der Künstler nur in Traum und Phantasie."
Ein herzlicher Dank an dieser Stelle an die mir (damals) unbekannte Übersetzerin* ins Arabische und aus demselben. Naser und ich verkehren ansonsten beide als mehr oder weniger unsichere Fremdländer im Reich des broken English.
Paul Kroker
*Es handelt sich um die syrische Germanistin Jasmina Heritani, Kultur- und Friedenspreis der Villa Ichon 2019
Werk-Liste
Presse/ Medien
21.04.2016