Mutterland, Kiew (2023)
Mutterland, Kiew (2023)
Gemälde von Nazanin Pouyandeh
Gemälde von Nazanin Pouyandeh


KUNO-Newsletter

kulturimnorden@gmail.com 

Als eine der bundesweit unterstützenden Organisationen und Initiativen  eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses ruft auch KUNO zu den Demonstrationen gegen den Nationalismus und für Ein Europa für Alle auf.

 

Viele führen die Werte der Europäischen Gemeinschaft im Munde, ohne genau sagen zu können/ zu wollen, was sie damit meinen. Und so bleiben diese Werte bloß hohle Worte. Das gilt für die meisten etablierten Parteien, ein bisschen weniger für die erstarkende Rechte, die jedes Forum für ihre nationalistische, europafeindliche Propaganda nutzt. Mal versteckter, mal offener, je nach Zielgruppe.

KUNO teilt uneingeschränkt das EU-Motto „In Vielfalt geeint“, weil es als Leitspruch der europäischen Wertegemeinschaft auch und noch mehr meint als gemeinsamer Markt und gemeinsame Währung. Plus Grenzfreiheit, keine Roaminggebühren sowie das großartige Erasmus-Projekt des kulturellen Austauschs in Bildung und Ausbildung. Nicht zu vergessen die jährliche Ausrufung jeweils zweier europäischer Kulturhauptstädte. Alles gemeinsame europäische Errungenschaften, die natürlich auch weiterhin diskussionswürdig und entwicklungsfähig sind. Und meistens auch wirklich verteidigenswert.

Allein dafür gilt es schon, am 19. Mai auf die Straße und am 26.Mai an die Wahlurnen zu gehen!

 „Doch es gibt noch viel mehr Gründe dafür“, meint Paul Kroker vom Vorstand unseres Kulturvereins.

 

„Erinnern wir uns, was Heinrich Heine 1844 auf den zersplitterten deutschsprachigen Raum münzte, heute aber heißen könnte: „Denk´ich an Europa in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“

Denn die warnenden Stimmen heute mehren sich und nicht zu unrecht.

Da sind als ein Beispiel unter vielen die europäischen Dichter*innen und Denker*innen – und ich nenne hier nur die deutschsprachigen Literaturnobelpreisträgerinnen Elfriede Jelinek und Herta Müller, die den Aufruf des französischen Philosophen Bernard-Henri Lévi unterzeichneten zusammen mit vielen anderen Kolleg*innen. Das Haus Europa brenne, so meint er und warnt vor dem Voranschreiten des rückwärtsgewandten Nationalismus´, der Grenzen hochzieht und dann schließt (und das auch in den Köpfen). Aus Furcht vor jenen, die man lieber gleich im Mittelmeer ertrinken lässt. Oder in der medial geschickteren BRD-Variante: Man bezahlt den türkischen Mann, der weiß, was er erzwingen kann. Kein Wunder, dass sich das reimt.

Andere warnen davor, dass so etwas, was da von Regierungen angeblich zum äußeren Schutz des eigenen Landes angestoßen und dabei zugleich gegen die Menschenrechte verstoßen wird, auf  heimischem Boden nie abgeht ohne Einschränkungen bis hin zur Abschaffung von demokratischen Rechten und Freiheiten. Begleitet von ideologischer Meinungsmache, die bis hinein in die Mitte der Gesellschaft wirkt. Der weitsichtige Kommunist Antonio Gramsci wusste sehr genau: ideologische Hegemonie als Voraussetzung politischer Machteroberung bzw. -sicherung.

Nur kurz sei in diesem Zusammenhang erinnert an Jan Böhmermanns Schmähgedicht, Angela Merkels spontane Literaturkritik im Sinne Erdogans  und dessen Prozesseifer vor deutschen Gerichten. Gegen wen sich das richtet, wird so ganz konkret deutlich.

Nicht nur bei der Beschneidung von Presse- und Kunstfreiheit, bei der Abschottung vor Geflüchteten, sondern auch bei der Verantwortung für die Klimakatastrophe: Es geht gegen uns Bürgerinnen und Bürger, es geht gegen Mensch und Natur und schließlich gegen den ganzen Planeten.

 

Fünfzig Jahre nach 1968 gehen hier wieder junge Menschen, in noch größeren Massen als dereinst, auf die Straßen Europas. Ganz anders als damals sogar von namenhaften Repräsentanten empfangen: Greta Thunberg. Da geht es auch gegen eine Politik von EU-Staaten, die zulässt, die vereinbarten Klimaziele nicht nur nicht einzuhalten, sondern immer weiter aufzuweichen. In Deutschland eine Verlängerung nach der anderen wohl im Sinne von – und das ist in dieser ach so moderaten Republik fast unvorstellbar – nach uns die Sintflut?!

 

Die großen politischen, wirtschaftlichen, sozialen Entscheidungen in der EU werden bekanntermaßen maßgeblich beeinflusst von vor allem von den stärksten Staaten dieser Gemeinschaft. Das wissen alle, die die politischen Entwicklungen verfolgen. Doch wie das im Detail funktioniert, wird erst klar, wenn man sich bewusst macht, wer wie die Drähte zieht in der EU-Kommission unter Juncker, im Europäischen Rat der Minister- und Staatspräsidenten unter Tusk sowie im Rat der EU, der sog. Staatenkammer (aktueller Vorsitz Rumänien). All das schon immer fernab der europäischen Bürgerinnen und Bürger, die wir aufgerufen sind, mehr als siebenhundert Abgeordnete ins EU-Parlament zu wählen. Und das ist noch nicht einmal institutionell vollwertig.

Spätestens hier sollten sich allen an Europa wirklich Interessierten die Frage stellen, ob es denn nicht höchste Zeit sei, einen grundlegenden Umbau der EU wenigstens anzudenken: Weg von dieser Gemeinschaft europäischer Staaten, deren Zusammenhalt politisch immer fragwürdiger wird und die kulturell intern und extern immer weniger zählt. Und endlich hin zu einer Union der Bürgerinnen und Bürger Europas. Die wie in einer repräsentativen Demokratie ein wirkliches Parlament wählen, das wiederum die Regierung wählt und kontrolliert sowie volle legislative Gewalt wie ein nationales Parlament besitzt. So dass es auch in solch einer wirklich umfassend gesetzgebenden Versammlung klare Regierungs- und Oppositionsfraktionen gibt. Auf dass das politische Europa wirklich ein eigenständiges Profil gewinnt.

Was wohl nur bei einer radikalen Ausdünnung der EU-Strukturen möglich sein wird. Die sind so komplex und kompliziert, dass kaum ein Durchschnittseuropäer durchblicken kann: Warum denn die Dreifaltigkeit aus Kommission – Europäischer Rat – Rat der EU?! Weil es eine Union der Staaten und Regierungen ist.  Das Parlament kann darüber wohl abstimmen, satzungsgemäß sogar die Kommission abwählen. Aber keine Alternativen selber vorschlagen. Die legislative Gewalt ist stark beschnitten und betrifft explizit nicht die großen politischen Leitlinien. Und schließlich: Die Parlamentarier sind ihren Parteien und Regierungen verantwortlich, nicht den Wählerinnen und Wählern. Deswegen kennt man sie auch viel weniger als die Kandidaten bei den anderen Wahlen.

 

Viel wäre auch nachzu- und umzudenken, nicht nur was den EU-Haushalt betrifft, sondern ebenfalls die Europäische Zentralbank, deren Zinspolitik die kleinen Sparer in der EU seit Jahren nicht nur benachteiligt, sondern zur Versorgung der Geschäftsbanken seit März 2016 mit einem Zinssatz von 0,0% schröpft.

Natürlich muss bei etwaigen Reformversuchen damit gerechnet werden, wie heftig der gesamte gegenwärtige riesige EU-Apparat, von den Bürger*innen der EU mit Unsummen ausgehalten, dagegen Front machen und jede Veränderung blockieren wird. Und nicht zu vergessen: das gesamte Spinnennetz der Lobbyisten, das sich Abgeordnete und Institutionen der EU tagtäglich zurecht legt um eigener Vorteile und fremder Profite willen.

Solch ein Europa bedarf dringender Reformen, die schwer zu machen sind. Doch es lohnt sich, laut nachzudenken über Alternativen für ein anderes Europa. Vielleicht eben nicht der Staaten und ihrer Regierungen, sondern der Bürger*innen in einem Europa, das neben den Europäer*innen auch Geflüchteten eine gültige Heimstatt bietet. Ist doch auch Deutschland, wie so manch anderes Land, nicht erst seit gestern ein Einwanderungsland.

 

Ja, das schaut in die Ferne, ist eine Utopie. Ein Nicht- oder Noch-Nicht-Ort, den es aber im Geiste und im Sinne der Menschlichkeit immer gab, gibt und geben wird. Und der realisiert werden könnte und sollte: „No man is an island“ (John Donne, 1624).

 Ein Europa, wie es Jan Böhmerman im Neo Magazin Royale so spielerisch und radikaldemokratisch angesprochen hat. Ebenso wie Die Vielen, Amnesty International, wie Yanis Varoufakis von Democracy in Europe Movement und viele andere. Wir sind nicht allein.

 

 

Denn nach dem 19. folgt der 26.Mai. Und auch dann ist nichts vorbei.“ 

„Wem gehört Leonardo da Vinci? Italien und Frankreich reklamieren den Universalkünstler jeweils für sich… Die Mona Lisa ist in Paris, das Abendmahl in Mailand. Es wäre das Gebot der Stunde, sich grenzübergreifend aufs Festlichste zu vernetzen. Das europäische Projekt hätte man mit Leonardo (1452-1519), geboren bei Vinci, gestorben auf Schloss Clos Lucé und in Frankreich beigesetzt, feiern können und müssen. Doch anlässlich des 500.Todestages binden die Nachbarn ihre bunten Sträuße an Veranstaltungen mit maximalem Egoismus.“

Für den 19. Mai 2019 rufen DIE VIELEN zu bundesweiten GLÄNZENDEN DEMONSTRATIONEN in Berlin und weiteren Städten auf: Für ein Europa der Vielen! Solidarität statt Privilegien. Die Kunst bleibt frei!


Die Einschränkung der Kunstfreiheit ist in Ländern Europas wie der Türkei und Russland, aber auch innerhalb der Europäischen Union in Ungarn oder Polen bereits bittere Realität. Die Bedrohung der Kunstfreiheit ist auch in Italien oder Österreich nicht unrealistisch. Auch in Deutschland sowie in weiteren EU-Staaten könnte die Kunstfreiheit durch nationalistische oder rechtsautoritäre Regierungsbeteiligungen in Gefahr geraten.

Die Länder der Europäischen Union bilden selbst eine Vielfalt der Lebensentwürfe und Kulturen ab. Ihre politische Ausgestaltung muss getragen werden von der Idee eines Europas der Vielen: Ein solidarisches Europa, das sich nicht immer weiter abschottet, sondern sichere Zugänge schafft, für Menschen aus nicht-europäischen Ländern, die hier leben wollen. Auch Künstler*innen, Intellektuelle, Andersdenkende und Menschen mit anderen Lebensentwürfen werden aus Ländern Europas und Orten in der ganzen Welt zur Emigration gezwungen. Asylrecht und Freizügigkeit wie die Kunstfreiheit sind miteinander verbunden – Kunst entsteht nicht innerhalb nationaler Grenzen. In den unterschiedlichen Verfassungen und in der Erklärung der Menschenrechte wird das Asylrecht wie die Kunstfreiheit benannt. Beide sollen den Anforderungen eines Europas der Vielen gerecht werden und sollen auch den Vielen aus nicht-europäischen Ländern ein Leben in Würde sicherstellen. Sichere Fluchtwege, Solidarität und eine offene Gesellschaft gehören für uns unteilbar zusammen mit dem „Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen ...“ wie es in der Erklärung der Menschenrechte heißt.

FÜR EIN EUROPA DER VIELEN! SOLIDARITÄT STATT PRIVILEGIEN. DIE KUNST BLEIBT FREI!

Berlin am Sonntag, den 19. Mai 12 Uhr Auftakt am Rosa-Luxemburg-Platz vor der Volksbühne-Berlin

 

Machtstrukturen in der EU

 

EU-Schema: Paul,2019

Die Europäische Union war eine außerordentliche Leistung. Sie hat Menschen, die unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedliche Kulturen pflegen, in Frieden zusammengeführt und damit bewiesen, dass es möglich ist, einen gemeinsamen Rahmen der Menschenrechte auf einem Kontinent zu errichten, auf dem vor noch nicht allzu langer Zeit mörderischer Chauvinismus, Rassismus und Barbarei herrschten. Die Europäische Union hätte der sprichwörtliche Leuchtturm sein können, sie hätte der Welt zeigen können, wie aus jahrhundertelangen Konflikten und Bigotterie Frieden und Solidarität entstehen können.

Doch leider trennen eine gemeinsame Bürokratie und eine gemeinsame Währung heute die Europäer, die trotz unterschiedlicher Sprachen und Kulturen auf dem Weg zur Einigung waren. Eine Verschwörung kurzsichtiger Politiker, ökonomisch naiver Beamter und in Finanzdingen inkompetenter „Experten“ unterwirft sich sklavisch den Beschlüssen der Finanz- und Industriekonzerne, entfremdet die Europäer einander und schürt eine gefährliche europafeindliche Stimmung. Ganze Nationen werden gegeneinander aufgestachelt. Nationalismus, Extremismus und Rassismus erwachen wieder.

Im Zentrum unserer zerfallenden EU liegt ein böser Betrug: Ein durch und durch politischer, undurchsichtiger und autokratischer Entscheidungsprozess wird zu einem „unpolitischen“, „rein technischen“, „prozeduralen“ und „neutralen“ Verfahren erklärt. Dessen Zweck ist es, die Europäer daran zu hindern, eine demokratische Kontrolle über ihre Währung, ihre Finanzen, ihre Arbeitsbedingungen und ihre Umwelt auszuüben. Der Preis dieser Täuschung ist nicht nur das Ende der Demokratie, sondern auch eine schlechte Wirtschaftspolitik

 

Mehr: https://diem25.org/manifesto-lange-version/

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